Rentner arbeiten weiterhin in Sachsen.

Über 63.000 sächsische Rentner sind weiterhin berufstätig

In Sachsen haben nur noch wenige Menschen das Bild vom Ruhestand als entspannter Lebensabschnitt, in dem man sich von der Arbeit zurückzieht, im Kopf. Ein wachsender Anteil der Seniorinnen und Senioren muss, oft aus purer wirtschaftlicher Notwendigkeit, auch nach dem Erreichen des Rentenalters einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Laut dem Sächsischen Wirtschaftsministerium waren es Ende 2024 insgesamt 63.424 Rentnerinnen und Rentner im Freistaat, die einer Beschäftigung nachgingen. Die Zahl wurde in der Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der Landtagsfraktion Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) genannt. Ein besonders besorgniserregender Fakt: Mehr als 9.000 dieser Erwerbstätigen sind bereits zwischen 75 und 85 Jahren.

Was für einige als Zeichen von Aktivität und Teilhabe im Alter angesehen wird, ist für viele einfach eine Überlebensstrategie angesichts der geringen gesetzlichen Rente und der steigenden Lebenshaltungskosten. In Anbetracht dieser Entwicklung stellt sich die Frage, wie wir die soziale Absicherung von Senioren gestalten wollen, und es wächst die Skepsis über die Zukunftsfähigkeit des Rentensystems. Die Diskussion über Altersarmut, das Rentenniveau und die Notwendigkeit von Rentenreformen wird dadurch wieder akut.

Politische Akteure, darunter die BSW-Fraktion, reden angesichts der Zahlen von einem "sozialpolitischen Skandal", der seit Jahren im Entstehen ist. Anstatt über eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters zu debattieren, sollten wir handeln und den Lebensabend für alle Generationen existenzsichernd gestalten. Die Ansprüche gehen von steuerfreien Renten bis hin zu einer umfassenden Reform der Rentenversicherung, die auch Selbstständige, Beamte und Abgeordnete einbezieht.

Die Entwicklungen in Sachsen sind ein Beispiel für bundesweite Trends, jedoch sind sie in Ostdeutschland besonders ausgeprägt. Faktoren wie die strukturellen Unterschiede im Rentensystem, die Einkommensunterschiede zwischen Ost und West sowie die Nachwirkungen der deutschen Wiedervereinigung, die viele Lebensläufe beeinflusst haben, sind dafür verantwortlich. Auch die Zahl derjenigen, die im Alter auf Grundsicherung angewiesen sind, wächst stetig: Im März 2025 bezogen fast 20.000 Menschen in Sachsen über der Regelaltersgrenze diese Leistungen – mehr als doppelt so viel im Vergleich zu vor zwei Jahrzehnten.

In diesem Kontext untersucht der nachfolgende Artikel die Hintergründe, Gründe und Folgen der steigenden Erwerbstätigkeit von Rentnerinnen und Rentnern in Sachsen. Er untersucht, welche wirtschaftlichen, demografischen und politischen Veränderungen zu dieser Situation geführt haben, welche individuellen und gesellschaftlichen Folgen sie hat und welche Reformvorschläge momentan zur Diskussion stehen. Abschließend wird untersucht, wie andere Nationen, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen, damit umgehen und welche Aussichten sich für die kommenden Jahre ergeben.

Ursachen für die Erwerbstätigkeit im Rentenalter

Verschiedene gesellschaftliche, wirtschaftliche und individuelle Faktoren tragen zusammen dazu bei, dass die Zahl der erwerbstätigen Rentner in Sachsen steigt. Ein wesentlicher Grund dafür ist die finanzielle Lage vieler Seniorinnen und Senioren; oft reichen ihre gesetzlichen Renten kaum aus, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. In den neuen Bundesländern, vor allem in Sachsen, sind die Renten im Vergleich zum Westen Deutschlands oft geringer, was auf unterschiedliche Erwerbsbiografien und Löhne zurückzuführen ist.

Das deutsche Rentensystem funktioniert nach dem Umlageverfahren: Die Renten der aktuellen Ruheständler werden durch die Beiträge der derzeit aktiven Arbeitnehmer finanziert. Weil viele Menschen in Ostdeutschland nach der Wende von Arbeitslosigkeit, niedrigen Einkommen und unterbrochenen Erwerbsbiografien betroffen waren, sind ihre Rentenansprüche heute entsprechend gering. Außerdem haben in Sachsen viele Menschen in Branchen gearbeitet, die nach 1990 wegfielen oder umstrukturiert wurden, was ebenfalls negative Auswirkungen auf die Rentenpunkte hatte.

Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die Veränderung der Lebenshaltungskosten. Im Juli 2025 betrug die Inflationsrate wieder etwa 2,0 Prozent. Mieten, Lebensmittel und Dienstleistungen sind besonders stark betroffen von Preissteigerungen. Die Rentensteigerungen können diese Entwicklungen nur begrenzt ausgleichen; aus diesem Grund müssen viele ältere Menschen zusätzliche Einkünfte erzielen, um ihren Lebensstandard zu wahren. Ein weiterer Aspekt, der die Einkommenssituation vieler Rentnerinnen und Rentner verschärft, ist, dass sie oft alleinstehend sind und somit keine zusätzlichen Einkommensquellen haben.

Gesellschaftliche Aspekte sind ebenfalls wichtig. Ein kontinuierlicher Anstieg der Lebenserwartung führt dazu, dass Renten über längere Zeiträume gezahlt werden müssen, während die Anzahl der Erwerbstätigen gleichzeitig abnimmt. Dieses Ungleichgewicht in der Demografie belastet das Rentensystem zusätzlich und führt zu politischen Debatten über dessen Zukunftsfähigkeit. Die Diskussion über die Erhöhung des Renteneintrittsalters ist ein Zeichen dieser Entwicklung, doch viele empfinden sie als unzumutbar.

Ein weiteres wichtiges Bedürfnis, das man nicht ignorieren sollte, ist der Wunsch vieler Senioren, aktiv zu bleiben. Bei einem Teil der erwerbstätigen Rentner ist es nicht die finanzielle Not, die sie antreibt, sondern vielmehr der Wunsch nach sozialer Teilhabe, einer sinnstiftenden Beschäftigung oder dem Erhalt von Kontakten und Routinen. Jedoch ist dieser Anteil im Vergleich zu dem derjenigen, die unfreiwillig arbeiten müssen, relativ gering.

Alles in allem zeigt sich hier ein komplexes Problem, in dem persönliche Lebenssituationen, strukturelle Schwächen im Rentensystem und wirtschaftliche Rahmenbedingungen miteinander verknüpft sind. Für viele Menschen in Sachsen ist die Erwerbstätigkeit im Rentenalter weniger eine freiwillige Entscheidung, sondern vielmehr ein Zeichen für gesellschaftliche Versäumnisse und ungelöste politische Probleme.

Demografische Entwicklung und ihre Folgen

Die demografische Entwicklung in Sachsen und bundesweit bringt enorme Herausforderungen für das Rentensystem mit sich. Die Gesellschaft altert schnell: Immer weniger Menschen befinden sich im erwerbsfähigen Alter, während der Anteil der über 65-Jährigen stetig zunimmt. Sachsen ist von diesem Trend besonders betroffen, da es eines der Bundesländer mit der ältesten Bevölkerung Deutschlands ist.

Wie das Statistische Landesamt Sachsen berichtet, wird der Anteil der über 65-Jährigen an der Gesamtbevölkerung im Jahr 2025 etwa 27 Prozent betragen. Es wird erwartet, dass dieser Anteil in den kommenden Jahrzehnten weiter zunehmen wird. Nach und nach erreichen die geburtenstarken Jahrgänge der 1950er und 1960er Jahre das Rentenalter, was den Druck auf das Umlagesystem der gesetzlichen Rente erhöht. Die Anzahl der jungen Beitragszahler sinkt jedoch aufgrund der rückläufigen Geburtenraten und der Abwanderung.

Die Veränderung der Altersstruktur hat unmittelbare Auswirkungen auf die Finanzierung der Renten. Die Anzahl der Erwerbstätigen, die für die immer größer werdende Zahl der Rentner aufkommen muss, sinkt, was das System aus dem Gleichgewicht bringt. Die Politik versucht, mit unterschiedlichen Maßnahmen darauf zu reagieren – wie zum Beispiel durch die Verlängerung der Lebensarbeitszeit, die Unterstützung privater Altersvorsorge oder die Erhöhung der Rentenbeiträge. Aber diese Methoden erreichen immer mehr ihre Grenzen.

In Sachsen verschärfen sich die Probleme durch die spezifischen Auswirkungen der Wiedervereinigung. Viele Menschen erlebten nach 1990 Arbeitslosigkeit, Umschulungen oder den Wechsel in schlechter bezahlte Tätigkeiten. Die Lücken in den Erwerbsbiografien, die dadurch entstanden sind, führen heute zu niedrigen Renten. Außerdem ist die Anzahl der Alleinstehenden in Ostdeutschland höher, was das Risiko von Altersarmut erhöht.

Die Gesellschaft wird ebenfalls von der demografischen Entwicklung beeinflusst. Die steigende Zahl der Menschen im fortgeschrittenen Alter verändert die Nachfrage nach Dienstleistungen, Wohnraum und medizinischer Versorgung. Die Gefahr der Vereinsamung und sozialen Ausgrenzung steigt für die Seniorinnen und Senioren, die trotz ihres Alters noch arbeiten müssen, weil sie den Ruhestand nicht genießen können.

Politisch wird der demografische Wandel oft als Grund für Reformen im Rentensystem angeführt. Kritiker weisen jedoch darauf hin, dass man die Belastungen nicht einseitig auf die ältere Generation abwälzen sollte, wie es eine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters vorschlagen würde. Sie fordern vielmehr eine solidarische Finanzierung und Maßnahmen zur Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung, um Altersarmut und soziale Spaltung zu verhindern.

Die demografische Entwicklung in Sachsen stellt nicht nur eine Herausforderung für das Rentensystem dar, sondern betrifft die gesamte Gesellschaft. Es braucht langfristige Ansätze, die sicherstellen, dass ältere Menschen finanziell abgesichert sind und am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.

Arbeitsmarkt und Beschäftigungsformen älterer Menschen

In den letzten Jahren ist die Integration älterer Menschen in den Arbeitsmarkt in Sachsen deutlich gestiegen. Die mehr als 63.000 erwerbstätigen Rentnerinnen und Rentner nutzen dabei ganz unterschiedliche Formen der Beschäftigung. Viele haben sogenannte Minijobs, die ein Einkommen von höchstens 520 Euro im Monat ermöglichen; andere sind in Teilzeit oder sogar in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen tätig.

Die Branchen, in denen Menschen im fortgeschrittenen Alter besonders häufig arbeiten, sind ein Spiegelbild der Struktur des sächsischen Arbeitsmarktes. Viele sind im Einzelhandel, in der Gebäudereinigung, in der Betreuung und Pflege, als Hausmeister, in der Gastronomie oder im Transportwesen tätig. Auch Jobs als Fahrer, Zusteller oder in der Landwirtschaft sind weit verbreitet. Es sind häufig einfache, körperlich anstrengende Tätigkeiten, die jüngere Erwerbstätige meiden.

Es gibt zahlreiche Motive, im Alter eine Beschäftigung aufzunehmen. Während einige Seniorinnen und Senioren aktiv nach einer Beschäftigung suchen, um ihre Rente aufzubessern, werden andere gezielt von Arbeitgebern angesprochen. In vielen Firmen wird die Zuverlässigkeit und Erfahrung älterer Beschäftigter geschätzt, vor allem in Branchen, die unter Fachkräftemangel leiden. Gleichzeitig sind ältere Arbeitnehmer für Arbeitgeber oft günstiger, weil sie in Minijobs keine Sozialabgaben zahlen müssen oder bereits durch die Rente sozial abgesichert sind.

Allerdings sind die Arbeitsbedingungen für ältere Menschen sehr unterschiedlich. Während einige von flexiblen Arbeitszeiten und fairer Bezahlung profitieren, sind andere auf schlecht bezahlte, körperlich belastende Jobs angewiesen. Gerade bei Menschen im hohen Alter ist das Risiko von Ausbeutung und Überforderung nicht zu unterschätzen. Es ist gesundheitsschädlich, wenn ältere Menschen trotz Einschränkungen durch das Alter weiterarbeiten müssen.

Ältere Beschäftigte haben oft einen erschwerten Zugang zu Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen im Vergleich zu jüngeren. Viele Menschen haben keinen Anspruch mehr auf arbeitsmarktpolitische Förderungen, obwohl sie eigentlich Unterstützung brauchen würden, um sich den Veränderungen der Arbeitswelt anzupassen. Die Bedeutung digitaler Kompetenzen wächst, aber nicht jeder Senior hat die Chance, sich entsprechend fortzubilden.

Die Integration älterer Menschen in den Arbeitsmarkt ist also zwiespältig. Einerseits eröffnet sie gesellschaftliche Teilhabe und zusätzliche Einkünfte, andererseits besteht das Risiko der Überforderung und Ausgrenzung. Die Politik muss die schwierige Aufgabe bewältigen, Bedingungen zu schaffen, die eine faire und würdevolle Beschäftigung im Alter ermöglichen, ohne dass ältere Menschen in prekäre Arbeitsverhältnisse gedrängt werden.

Soziale und gesundheitliche Auswirkungen auf Betroffene

Die Entscheidung, im Alter von 65 Jahren oder darüber hinaus weiterhin beruflich aktiv zu sein, hat umfassende soziale und gesundheitliche Auswirkungen auf die Menschen. Während einige Seniorinnen und Senioren die Arbeit als Bereicherung empfinden, sehen viele sie als Belastung und Zwang. Eine langjährige berufliche Belastung kann im Alter zu physischen und psychischen Problemen führen, vor allem, wenn die Arbeit körperlich anstrengend war oder monotone Routinen beinhaltete.

Ein zentrales Problem ist die Gesundheit vieler älterer Beschäftigter. Im Alter steigen die Zahl chronischer Krankheiten und körperlicher Einschränkungen. Jobs mit hoher körperlicher Belastung, wie in der Gebäudereinigung, im Handwerk oder in der Pflege, können gesundheitliche Probleme verschlimmern, wenn man bereits Beschwerden hat. Auch bei älteren Beschäftigten ist das Risiko von Arbeitsunfällen erhöht, weil mit dem Alter die Reaktionsfähigkeit und die Belastbarkeit nachlassen.

Die psychischen Auswirkungen der Notwendigkeit, im Alter weiterzuarbeiten, sind oft negativ. Nach einem langen Arbeitsleben können viele nicht ohne weiteres vom Ersparten oder der gesetzlichen Rente leben; das empfinden viele als frustrierend oder beschämend. Die Furcht vor Altersarmmut, sozialem Abstieg und Unsicherheit ist für viele erwerbstätige Rentner ein ständiger Begleiter. Forschungen belegen, dass das Risiko, im Alter arm zu sein, das Wohlbefinden erheblich beeinträchtigen kann.

Ein weiteres Risiko ist soziale Isolation. Menschen, die im Alter arbeiten müssen, haben oft weniger Zeit für Familie, Freunde oder gesellschaftliches Engagement. Das Gefühl der Ausgrenzung kann dadurch verstärkt werden, dass man weniger am gesellschaftlichen Leben teilnimmt. Währenddessen geben einige Seniorinnen und Senioren zu verstehen, dass ihre Arbeit ihnen soziale Kontakte und eine feste Tagesstruktur ermöglicht. Dennoch haben bei den meisten Betroffenen finanzielle Zwänge die Oberhand über freiwillige Aktivität.

Die Doppelverantwortung trifft besonders hart, wenn man neben der Arbeit auch noch Pflegeaufgaben für einen Partner oder Angehörige übernehmen muss. Im Alter wird es zu einer großen Herausforderung, Arbeit und Pflege zu vereinbaren; die Politik hat dies bisher kaum beachtet.

Auch die Lebensqualität wird nicht zuletzt durch das Fortsetzen der Erwerbsarbeit beeinflusst. Aus finanziellen Gründen müssen viele ältere Menschen auf Freizeit, Erholung und Reisen verzichten, weil sie sich keine Pause leisten können. Das Recht auf einen würdevollen Ruhestand – ein essentielles soziales Versprechen – wird für viele Menschen in Sachsen nicht erfüllt.

Die gesundheitlichen und sozialen Auswirkungen machen klar, dass Arbeiten im Alter der Rente nicht immer die Lösung ist. Obwohl sie kurzfristig zur finanziellen Entlastung beitragen kann, verschärft sie langfristig die gesellschaftlichen und individuellen Probleme, wenn sie aus Zwang und Mangel entsteht.

Politische Debatte und Reformvorschläge

In Sachsen hat die politische Diskussion über die Zukunft der Altersvorsorge durch die steigende Zahl der erwerbstätigen Rentnerinnen und Rentner deutlich an Fahrt aufgenommen. Verschiedene Parteien und Interessengruppen haben teils gegensätzliche Ansichten über die Ursachen und Lösungswege der zunehmenden Altersarmut sowie der Erwerbstätigkeit im Alter.

Die Fraktion Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) sieht die Situation als einen "sozialpolitischen Skandal" und verlangt grundlegende Reformen. Die BSW ist der Meinung, dass die gesetzliche Rente für immer mehr Menschen nicht mehr ausreicht, um den Lebensunterhalt zu sichern. Unter anderem verlangt die Partei, sich am österreichischen Rentensystem zu orientieren, welches höhere Rentenzahlungen und eine breitere Finanzierungsbasis bietet. Auch Beamte, Selbstständige und Abgeordnete zahlen dort in die Rentenkasse ein, was zur Stabilisierung des Systems beiträgt.

Die BSW hat auch den Vorschlag, Renten steuerlich zu entlasten. Um die Kaufkraft der älteren Generation zu verbessern und Altersarmut effektiv zu bekämpfen, sollen Renten bis 2.000 Euro pro Monat steuerfrei sein. Die Partei fordert gleichzeitig enorme Investitionen in den sozialen Wohnungsbau und Maßnahmen zur Begrenzung der Lebenshaltungskosten, um zu verhindern, dass Wohnen im Alter zum Armutsrisiko wird.

Eine Vielzahl von Parteien und Verbänden sieht die Diskussion über eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters kritisch. Die BSW spricht sich entschieden gegen eine Erhöhung des Rentenalters auf 70 Jahre oder mehr aus und betont, dass jeder das Recht auf einen würdevollen Ruhestand hat. Auch Gewerkschaften und Sozialverbände weisen darauf hin, dass man die Belastungen nicht einseitig auf die ältere Generation abwälzen sollte. Sie setzen auf eine Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung und eine solidarische Finanzierung.

Der Vorschlag, ein verpflichtendes soziales Jahr für Rentner einzuführen, wie es der Ökonom Marcel Fratzscher vorgeschlagen hat, wird kontrovers diskutiert. Man wolle erreichen, dass die Belastungen des demografischen Wandels gerechter verteilt werden. Kritiker sehen in diesem Ansatz jedoch eine "Verhöhnung" der älteren Generation, die nach vielen Jahren im Berufsleben genug zur Gesellschaft beigetragen habe.

Die Bundesregierung verfolgt derzeit eine Strategie, die aus einer Kombination von Maßnahmen zur Unterstützung der privaten Altersvorsorge, zur Stabilisierung der gesetzlichen Rente und zur Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von älteren Menschen besteht. Die Erfolge dieser Strategie sind nicht unumstritten, weil viele Geringverdiener und Personen mit unterbrochener Erwerbsbiografie kaum von privater Vorsorge profitieren können.

Die politische Diskussion bleibt also umstritten. Die Stimme nach einer grundlegenden Reform der Rentenversicherung wird immer lauter, doch konkrete Schritte fehlen bisher. Die Situation in Sachsen zeigt deutlich, dass ein "Weiter so" wahrscheinlich die Erwerbstätigkeit im Rentenalter weiter steigern wird – mit all den sozialen und gesellschaftlichen Folgewirkungen.

Die Rolle von Grundsicherung und Sozialhilfe

In den letzten Jahren ist die Anzahl der Rentnerinnen und Rentner in Sachsen, die auf die staatliche Grundsicherung im Alter angewiesen ist, deutlich gestiegen. Im März 2025 verzeichnete das Statistische Bundesamt, dass 19.920 Personen über der Regelaltersgrenze entsprechende Leistungen beziehen – das ist mehr als doppelt so viel im Vergleich zu vor zwanzig Jahren. Dieser Trend zeigt, dass die Altersarmmut zunimmt und die gesetzliche Rentenversicherung nicht mehr ausreichend funktioniert.

Die Grundsicherung im Alter kommt zum Einsatz, wenn die Rente und andere Einkünfte nicht ausreichen, um das Existenzminimum zu sichern. Sie beinhaltet Leistungen für Unterkunft, Heizkosten und den Lebensunterhalt. Bevor man die Leistungen in Anspruch nimmt, müssen jedoch alle Rücklagen und Vermögen bis auf einen Freibetrag aufgebraucht werden. Bei vielen Senioren ist der Besuch beim Sozialamt verbunden mit Scham und dem Gefühl, einen sozialen Abstieg zu erleben.

Die niedrigen Renten, die Folge von unterbrochenen Erwerbsbiografien, geringem Einkommen oder Teilzeitarbeit sind, sind ein wesentlicher Grund dafür, dass immer mehr Menschen Grundsicherung beziehen. Frauen sind besonders betroffen, wenn sie aufgrund von Kindererziehung oder der Pflege von Angehörigen geringere Rentenansprüche erworben haben. Selbst Menschen, die in prekären Jobs waren, sind häufiger auf Grundsicherung angewiesen.

Die Sozialhilfeausgaben steigen konstant. Im Jahr 2025 sind die Sozialhilfeausgaben in Sachsen im Vergleich zum Vorjahr um fast 15 Prozent gestiegen, was hauptsächlich auf die erhöhten Kosten für die Grundsicherung im Alter zurückzuführen ist. Diese Entwicklung bringt erhebliche Herausforderungen für Kommunen und Sozialkassen mit sich und macht deutlich, dass das Rentensystem reformiert werden muss.

Ein weiteres Problem stellt die "verdeckte" Altersarmut dar. Aus Scham oder Unwissenheit stellen viele ältere Menschen keinen Antrag auf Grundsicherung, obwohl sie einen Anspruch darauf hätten. Forschungen zeigen, dass bundesweit bis zu 60 Prozent derjenigen, die Anspruch hätten, keinen Antrag stellen. Offiziellen Statistiken zufolge ist die Zahl der Bedürftigen wahrscheinlich viel höher, als man denkt.

Für viele Seniorinnen und Senioren bedeutet der Bezug von Grundsicherung, dass sie erhebliche Einschränkungen im Alltag erfahren. Sie müssen auf Freizeitaktivitäten, Kultur und soziale Teilhabe verzichten, weil das Geld kaum für mehr als das Lebensnotwendige reicht. Die Gefahr, sozial isoliert zu sein oder gesundheitliche Probleme zu haben, wächst.

Die steigende Zahl der Grundsicherungsempfänger im Alter macht die strukturellen Schwächen des Rentensystems deutlich. Sie zeigt, dass die gesetzliche Rente für immer mehr Menschen nicht mehr genügt, um ein Leben in Würde und Sicherheit zu ermöglichen. Es ist eine politische Herausforderung, die Ursachen der Altersarmut zu bekämpfen, anstatt nur ihre Symptome zu lindern.

Internationale Vergleiche und Modelllösungen

Die Diskussion über Altersarmut und das Arbeiten im Alter betrifft nicht nur Sachsen oder Deutschland. In zahlreichen europäischen Staaten sind Rentensysteme belastet, und die Sicherstellung eines würdevollen Ruhestand für alle ist ein zentrales Anliegen der Sozialpolitik. Wenn man über die Grenzen Deutschlands schaut, erkennt man, dass es andere Modelle als das deutsche gibt.

Österreich wird oft als das Modell für eine rentenversicherung, die sowohl leistungsfähig als auch solidarisch ist, angesehen. Dort zahlen alle Erwerbstätigen, inklusive Beamter, Abgeordneter und Selbständiger, in ein gemeinsames System ein. Das Rentenniveau ist erheblich besser als in Deutschland, was dazu führt, dass die Altersarmut entsprechend geringer ist. In Österreich liegt die durchschnittliche Bruttorente bei etwa 1.800 Euro, während in Deutschland viele Rentnerinnen und Rentner mit deutlich geringeren Beträgen auskommen müssen.

In den skandinavischen Ländern, wie Schweden oder Dänemark, sind die Rentensysteme ebenfalls stärker auf Solidarität und Mindestsicherung fokussiert. Jeder, der eine bestimmte Zeit im Land gelebt hat, hat Anspruch auf eine Grundrente, die durch eine einkommensabhängige Zusatzrente ergänzt wird. Im Vergleich zu Deutschland ist Altersarmut dort wesentlich seltener, und die Erwerbstätigkeit im Rentenalter ist überwiegend freiwillig statt aus Zwang.

Ein weiteres Beispiel ist die Schweiz, wo das Drei-Säulen-Modell staatliche Grundsicherung, betriebliche Altersvorsorge und private Vorsorge kombiniert. Obwohl das System als stabil angesehen wird, sind die Lebenshaltungskosten in der Schweiz auch erheblich höher. Trotz allem ermöglicht das Modell vielen Menschen einen besseren Lebensstandard im Alter.

Die Lehren aus anderen Ländern belegen, dass eine breite Finanzierungsbasis, solidarische Ansätze und gezielte Aktionen gegen Altersarmut die Lage älterer Menschen verbessern können. Die Rentenversicherung für alle Erwerbstätigen zu öffnen, eine ausreichende Mindestsicherung zu gewährleisten und steuerliche Entlastungen einzuführen, sind dabei entscheidende Maßnahmen.

Obwohl Deutschland in den letzten Jahren mehrere Reformen initiiert hat, ist das Rentensystem nach wie vor fragmentiert. Eine "Bürgerversicherung", in die alle einzahlen, ist bislang politisch nicht umgesetzt. Es wird kritisiert, dass das deutsche System zu sehr auf private Vorsorge setzt, wovon vor allem Menschen mit geringem Einkommen nicht profitieren.

Eine internationale Sichtweise zeigt klar, dass Altersarmut und das Arbeiten im Rentenalter keine unvermeidlichen Gegebenheiten sind. Es ist möglich, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass jeder einen würdevollen Ruhestand hat, wenn politische Entscheidungen und gesellschaftlicher Konsens dies unterstützen. Die jüngsten Ereignisse in Sachsen verdeutlichen, dass es Nachholbedarf gibt und es hilfreich sein könnte, sich an erfolgreichen Modellen zu orientieren.

Perspektiven für Sachsen: Herausforderungen und Chancen

Die steigende Zahl der erwerbstätigen Rentnerinnen und Rentner in Sachsen ist eine große Herausforderung, kann aber auch als Chance für einen gesellschaftlichen Wandel genutzt werden. Die Sicherstellung eines würdevollen Ruhestands für alle Menschen im Freistaat wird in den kommenden Jahren nicht nur die Politik, sondern auch die Wirtschaft, Sozialverbände und die Zivilgesellschaft beschäftigen.

Eine der größten Herausforderungen ist es, den Ursachen der Altersarmut entgegenzuwirken. Das umfasst die Erhöhung des Rentenniveaus, die Verbesserung der Erwerbschancen für Menschen mit unterbrochenen Biografien und die gezielte Unterstützung von Frauen, die nach wie vor überdurchschnittlich häufig von niedrigen Renten betroffen sind. Es ist wichtig, dass die Digitalisierung und der Wandel der Arbeitswelt so gestaltet werden, dass sie die Teilhabe älterer Menschen ermöglichen.

Die Erfahrungen vieler erwerbstätiger Rentnerinnen und Rentner sind zugleich wertvolle Ansatzpunkte für neue Formen der gesellschaftlichen Teilhabe. Vielerorts haben Seniorinnen und Senioren wertvolle Erfahrungen, Fähigkeiten und soziale Netzwerke, die in der Arbeitswelt, im Ehrenamt oder im sozialen Bereich genutzt werden können. Das Potenzial älterer Menschen besser zu nutzen, könnte man durch die Förderung freiwilliger Arbeit, flexible Beschäftigungsmodelle und altersgerechte Weiterbildungen.

Es liegt in der Verantwortung der Politik, die Bedingungen so zu gestalten, dass das Arbeiten im Alter eine freiwillige Entscheidung und keine Zwangslage ist. Das umfasst steuerliche Entlastungen, die Sicherung von bezahlbarem Wohnraum, Verbesserungen im Gesundheitswesen und eine Stärkung der gesetzlichen Rente. Die Diskussion über die Integration aller Erwerbstätigen in die Rentenversicherung als notwendige Reformmaßnahme wird immer wieder geführt.

Auch die gesellschaftliche Sicht auf das Alter und die Erwerbstätigkeit im Rentenalter sollte sich verändern. Die Anerkennung der Lebensleistung älterer Menschen, der Abbau von Vorurteilen und die Förderung von Solidarität zwischen den Generationen sind wichtige Aufgaben. Es ist der einzige Weg, um zu verhindern, dass Erwerbstätigkeit im Alter zur sozialen Spaltung beiträgt.

Die Entwicklungen in Sachsen sind ein Beispiel für die Herausforderungen, die ganz Deutschland und viele europäische Länder betreffen. In den nächsten Jahren wird sich herausstellen, ob es gelungen ist, die Grundlagen für eine solidarische und gerechte Altersvorsorge zu schaffen – damit der Ruhestand für alle Menschen im Freistaat kein leeres Versprechen, sondern eine Realität werden kann.